Delphi-PRAXiS

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Perlsau 24. Jan 2016 04:54

Wie beweist man die objektive Existenz von irgendwas?
 
In einem offenbar für viele User interessanten, wegen zunehmender ad hominem Diskussion jedoch leider geschlossenen Thread ging es unter anderem darum, daß manche Begriffe, Worte, Symbole, die wir Menschen in unserer Sprache und unserem Denken verwenden, in der Realität – was immer das auch sein mag – auf Phänomene oder "Dinge" weisen, denen eine objektive Existenz zukommt. Um dieses objektive Existieren zu belegen, wurde u.a. ein Artikel in Wikipedia angeführt: Die Existenz dieses Artikels beweise eindeutig, daß dieses Ding nicht nur subjektiv – meint: als angenommen, rein symbolisch in Gedanken und Schriften – existiert, sondern völlig unabhängig vom menschlichen Geist. Ich kann mir beim besten Willen einen solchen Beweis nicht vorstellen, weiß aber aus Erfahrung, daß bei gewöhnlichen Menschen häufig vieles als Beweis gilt, was bei näherer Betrachtung oder eingehender Untersuchung eigentlich unbewiesen oder gar unbeweisbar ist.

Welche Ansichten ich selbst in dieser Angelegenheit vertrete, habe ich ja bereits angedeutet: Unser Wahrnehmungssystem umfaßt nicht nur unsere Sensorik (Sehen, Riechen, Hören, Tastsinn, Geschmack), sondern auch und, wie ich meine, in erster Linie unser Interpretationssystem, das sich in seinen Grundzügen bereits lange vor der Entstehung des Menschen entwickelt haben muß. Allein die Nervenreize, die durch unsere äußeren Sensoren ausgelöst werden, würden uns noch keine Weltsicht in der Komplexität, über die wir Menschen heute verfügen, vermitteln können. Erst durch die Interpretation der ankommenden Nervenreize, die unser Gehirn vornimmt, entstehen in uns die Bilder, die wir gewöhnlich als die uns umgebende Welt wahrnehmen. Diese Interpretationfähigkeit scheint uns zwar als grundlegende Fähigkeit gewissermaßen angeboren zu sein, ist aber auf den Input der ersten Lebensjahre angewiesen. In dieser Zeit lernen wir die eigentliche Wahrnehmung, die Interpretation in Übereinkunft mit den gesellschaftlichen Anforderungen, und dieses Lernen hört im Grunde niemals auf.

Wie dieser Spiegel-Artikel vom 1. November 2003 beschreibt, muß ein erwachsener Mann, der als Dreijähriger sein Augenlicht verlor, das Sehen wieder von Grund auf erlernen, nachdem er durch eine Operation das rechte Augenlicht wieder zurück erhielt. Es genügt jedoch nicht, seinem Hirn die einwandfreien Nervenreize zu übermitteln, denn er hat nie wirklich gelernt, diese zu interpretieren. Der Bereich des menschlichen Gehirns, der für das Sehen und für die Interpretation visueller Eindrücke zuständig ist, erscheint bei ihm kleiner als gewöhnlich, er ist unterentwickelt: "Mays Auge mag tadellose Bilder liefern, aber sein Hirn hat offenbar keine rechte Verwendung mehr dafür. Das Gehirn eines Neugeborenen ist ähnlich überfordert, aber es lernt allmählich, aus dem Wirrwarr der Seheindrücke eine scharfe Vorstellung von der Außenwelt zu schaffen. Abermillionen Hirnzellen müssen sich dafür zur Zusammenarbeit bequemen. Ist ein Erwachsener über die Zeit hinaus, in der solche Leistungen möglich sind?" ... "Allerdings erkennen Säuglinge schon mit zwei Tagen ein Augenpaar, das sich ihnen zuwendet. Können Blinde eine so tief verwurzelte Fähigkeit restlos verlieren? Für die Psychologin Fine legt der Fall May den Schluss nahe, dass angeboren nur das Reagieren auf beliebige Gesichter ist. Individuelle Züge werden wohl erst später erlernt - zu spät für einen Jungen, der mit drei Jahren erblindete." (ebd.)

Ich finde den Artikel sehr spannend und informativ und kann ihn wirklich empfehlen.

Michael May's innere Wirklichkeit unterscheidet sich daher zwangsläufig von der eines sehenden Menschen, denn in seiner Wirklichkeit herrschen nicht wie bei Sehenden visuelle Eindrücke vor. Niemand, der sehen kann, vermag sich wirklich vorzustellen, wie die Welt ohne visuelle Eindrücke wäre. Wenn man "Welt" schreibt oder sagt, meint man immer die angeommene äußere Welt, die man eigentlich gar nicht kennt, weder im Ganzen noch direkt, sondern immer nur mittelbar wahrnimmt, was uns aber nur selten bewußt wird. Wir tun gewöhnlich so – und das hat einen ganz praktischen Grund –, als ob die Welt fraglos und zweifelsfrei so sei, wie wir sie uns vorstellen. Ja, wir tun so, als ob die Welt, auf die wir uns beziehen, gar nicht die in unserer Vorstellung wäre, sondern als habe jeder, als müsse jeder zwangsläufig dieselbe Vorstellung von dem haben, was ihn umgibt. Wir denken nicht einmal an Vorstellung, sondern vermeinen gewöhnlich, alles direkt wahrzunehmen. Unsere Wahrnehmung erzeugt aber erst die Wirklichkeit, die wir als unsere Welt bezeichnen, und zwar in unserem Kopf. Dieselbe Welt, die wir im Außen objektiv vermeinen, erzeugt in jedem Menschen jedoch unterschiedliche Vorstellungen, auch wenn die Unterschiede zwischen Menschen, die regen und regelmäßigen Umgang miteinander pflegen, kaum feststellbar sein mögen. Das liegt aber nicht in erster Ursache daran, daß Menschen, die ständig irgendwie miteinander zu tun haben, alle genau dieselben Interpretationen vornehmen, sondern daß sie – meist stillschweigend – übereinkommen, die Dinge so zu sehen, wie es die anderen offenbar tun. Man will ja dazugehören, teilhaben, mitspielen, und das wird gewöhnlich nur gestattet, wenn man ähnliche Ansichten und Sichtweisen zeigt – ob man sie nun wirklich pflegt oder nur vorgibt. Das geht teilweise so weit, daß man heute mehr und mehr dazu neigt, all jene Menschen, deren Wahrnehmung und Vorstellung von der eigenen abweicht, als Spinner und Gestörte zu etikettieren. An diesem Punkt zeigt der "Wahnsinn" dann echt Methode ...

Wenn Interesse an diesem Thema besteht, würde ich gerne weitere Ansichten von anderen Usern dazu lesen, vorwiegend von Forenteilnehmern, die sich bereits mit dieser Thematik mehr oder weniger auseinandergesetzt haben, denn wem diese Thematik weitgehend fremd ist, der sträubt sich gewöhnlich reflexartig z.B. gegen die Vorstellung, daß Objektivität nichts weiter als das Resultat subjektiver Beurteilung oder uniformer Kategorisierung sein soll. Mit dem letzte Halbsatz drücke ich selbstverständlich nur einen Wunsch aus; weder bin ich geneigt noch überhaupt in der Lage, Beiträge zu zensieren oder gar zu löschen, die von Usern verfaßt wurden, die sich noch nie zuvor damit befaßt hatten.

Daniel 24. Jan 2016 09:25

AW: Wie beweist man die objektive Existenz von irgendwas?
 
Ich habe den letzten Absatz von Franks Beitrag ausgestrichen. Eine Frage aufzuwerfen ist eine Sache, aber wir stellen hier - jenseits des allgem. Verhaltenskodex - keine Spielregeln für die Teilnahme an Themen auf. Es steht und stand auch nie zur Debatte, dass Foren-Teilnehmer die Beiträge anderer zensieren, weil diese nicht hinreichend vorbereitet erscheinen.

Medium 24. Jan 2016 20:27

AW: Wie beweist man die objektive Existenz von irgendwas?
 
Ich verweise hier noch mal auf meinen Beitrag in dem TV-Hinweis-Thread, der ja scheinbar im allgemeinen "freundlichen aufeinander Einreden" verschütt ging.

Der Inhalt da bezieht sich zwar anfangs noch auf die Frage "Ist die Mathematik dinglich?", mündet aber in eine Aussage die hier ebenfalls zutrifft, und ich daher noch mal für hier reinterpretiere:
Ein Beweis einer objektiven Existenz ist dem Menschen aktuell nicht möglich. Er kann noch nicht einmal wirklich gut abschätzen wie tief die Abstraktionen noch werden, und hat vermutlich noch keine genauere Vorstellung davon, was letztlich "der Kern der Dinge" ist. (Siehe Beispiel "Elektron" im verlinkten Beitrag.) Für mich kann sich die Frage nach dem angesprochenen Beweis sogar gar nicht stellen, da es noch lange nicht geklärt ist welcher Natur die potenzielle objektive Realität überhaupt wäre, bzw. was die Substanz ist, aus der letztlich alles andere was wir wahrnehmen hervorgeht, und die nicht mehr nur eine anders interpretierte/dargestellte Form von etwas noch fundamentalerem ist. Und so lange man diesem nicht deutlich näher ist als wir heute, lassen sich für beide Theorien schlüssige Argumente und Betrachtungsweisen erstellen. (Meine habe ich im verlinkten Beitrag schon illustriert.)

Schon die bloße Fragestellung hier hegt daher ein wenig Charakter von "Flame-Bait", zumindest wenn man deine Position zu der übergeordneten Frage "Gibt es Objektivität?" kennt. In diesem Zusammenhang erscheint mir dies hier etwas sarkastisch, oder als Versuch deine Weisheit ein Mal mehr zu verkünden. Aber ich lasse mich gerne vom Gegenteil überraschen!

Allerdings werde ich inhaltlich nicht mehr ganz so viel beizutragen haben, da wir hier zwangsweise das Gebiet der Philosophie und ein Stückchen weit sogar Religion betreten, in welchen aber die Begriffe "Beweis" und "Objektivität" implizit schon nur noch subjektiv vorkommen können. Ich glaube du stellst die Frage einfach ein paar hundert Jahre zu früh.

mael 24. Jan 2016 22:01

AW: Wie beweist man die objektive Existenz von irgendwas?
 
Ich finde das Thema interessant, vor allem im Bezug auf KI. Gesellschaftliche Themen sind natürlich auch wichtig (und werden häufig besprochen).

Die Frage ist natürlich warum Objektivität überhaupt wichtig ist. Mir scheint das Hauptinteresse ist Meinungshoheit zu erlangen z.B. im Recht, oder weil man garantieren will das etwas funktioniert (Technik).

Im ethischen Bereich (und damit auch Recht) finde ich "objektive" Meinungen problematisch. Ich bin der Ansicht dass hier das Ziel sein sollte Konfliktpotenzial so zu reduzieren dass es keine ernsthaften Konflikte geben wird. Es gibt genügend Beispiele wo ein gutes Prinzip in der streng "logischen" Anwendung schlecht und lebensfeindlich wird. Umgekehrt braucht es mindestens Menschenrechte und Respekt der Bedürfnisse anderer. In der Praxis werden solche Ideale aber sehr komplex und widersprüchlich und sind nicht leicht aufzulösen.

Wie komplex das Thema wird ist schon an kooperativen parallelen Systemen zu sehen die Ressourcen teilen (in der Informatik). Nebenläufigkeit ist eines der komplexesten Themen der theoretischen Informatik, und einige Sachen sind auch beweisbar nicht beweisbar trotz der klaren Ausgangsbedingungen. Man muss also die Ausgangsbedingungen wiederum einschränken und klar definieren und dabei hoffen nichts wichtiges ausgeschlossen zu haben das man modellieren möchte. Übertragen auf Ethik: Sind die Annahmen darüber was Menschen brauchen oder was für Menschentypen es gibt falsch, wird es also problematisch. Mal davon abgesehen dass so etwas eine natürliche Entwicklung und Veränderung sehr einschränkt.

Ich bevorzuge hier weitgehend entkoppelte (und damit unabhängige) aber kommunikative Systeme, da dies die Konflikte um Ressourcen reduziert und damit auch die notwendigen Vorgaben/Regeln die ein System haben muss um zu funktionieren. Dies ist natürlich auch Arbeit (für eine gesamte Gesellschaft und Forschung und Entwicklung), aber am Ende leichter zu erreichen als unlösbare Konflikte zu "lösen".

So viel dazu.


Was Technik angeht ist es wie erwähnt schon interessant, aber hier kommt dann auch der Bereich der KI ins Spiel. Welche verschiedenen Interpretationen könnten Roboter verschiedener Art erzeugen -- also Roboter die verschiedene Lebensformen imitieren oder gar neue repräsentieren -- , und vor allem wie würde man so etwas sinnvoll übersetzen dass man es versteht (als Mensch). Ich denke das schafft ganz neue Möglichkeiten die Welt zu betrachten und zu erfahren, und besonders durch die Entwicklung solcher Roboter und der entsprechenden KIs schafft es neue Einsichten. Das sollte dann natürlich keine Black-Box-Methode sein wie z.B. bei Deep Learning oder SVMs und anderen statistischen Verfahren. Es müssen sinnvolle Bedeutungseinheiten entstehen die kommunizierbar und "debuggbar" sind.


Gut das hat nicht mehr direkt was mit Objektivität zu tun, sondern mit verschiedenen Interpretationen. Ich bin allerdings eh nicht ein Verfechter des "Objektiven" außer im pragmatischen Sinn, wo man die Erfahrung in einem gewissen Kontext als Basis für das logische Schließen nimmt. Ergänzend zur Erfahrung werden für das Entscheiden was richtig/gut/logisch ist oder passieren wird noch Modelle verwendet die aus Erfahrung gelernt (oder durch andere gelehrt) wurden.

Wirkliche unfehlbare Objektivität kann man ohne die komplette Welt in all ihren Details vollständig (nicht nur zusammenfassend) zu erfassen eh nicht erlangen. Ein weiteres Problem ist wer eigentlich was beobachtet und wie das das Ergebnis beeinflusst bzw. ob man überhaupt die ganze Welt beobachten kann ohne Teil von ihr zu sein. Usw. Dazu gibt es ja eine Menge philosophischer und wissenschaftstheoretischer Diskussionen.

Dejan Vu 25. Jan 2016 06:46

AW: Wie beweist man die objektive Existenz von irgendwas?
 
Wenn man der Ansicht ist, das es Objektivität nicht geben kann, dann erübrigt sich die Frage des TE, denn die Antwort lautet: Gar nicht.

Mir ist es auch egal, ob Dinge da sind oder ich mir das nur einbilde. Solange ich in einem Weltbild die Dinge, die ich sehe, auch erklären kann, dann ist die 'Welt in Ordnung'. Stoße ich auf Ungereimtheiten ("Was? Die Sonne dreht sich gar nicht um die Erde?"), kann ich immer noch mein Weltbild erweitern, damit die Welt wieder in Ordnung ist.

Allerdings kann ich selbst dann nicht beweisen (im mathematischen Sinne), das irgendetwas um mich herum wirklich existiert. Ich kann es nur belegen bzw. als gegeben voraussetzen. Das beruhigt mich insofern, als das ich mich auf meinen Stuhl setzen kann, ohne grübeln zu müssen, ob er nicht gleich -puff- verschwindet.

mael 25. Jan 2016 08:09

AW: Wie beweist man die objektive Existenz von irgendwas?
 
Zitat:

Zitat von Dejan Vu (Beitrag 1328061)
Allerdings kann ich selbst dann nicht beweisen (im mathematischen Sinne), das irgendetwas um mich herum wirklich existiert. Ich kann es nur belegen bzw. als gegeben voraussetzen. Das beruhigt mich insofern, als das ich mich auf meinen Stuhl setzen kann, ohne grübeln zu müssen, ob er nicht gleich -puff- verschwindet.

Das etwas existiert ist sicher:
Zitat:

Ich denke also bin ich.
Ob alles stabil bleibt ist natürlich eine andere Frage. Aber vollkommen willkürlich ist es nicht.

Also stimme ich dir zu: Objektivität ist schwierig, auch wenn viele Leute übereinstimmen sagt das nicht viel aus, aber eine gewisse Stabilität in einem gewissen Kontext, ja. Sonst könnte man es nicht beobachten.

Mathematik (und andere Ansätze für Modelle) funktionieren nur für angenommene Prinzipien der Welt und können auch nur innerhalb geschlossener Welten (also komplett beschriebenen) logisch schließen. Sind die Annahmen falsch, dann auch die Schlüsse. Modelle (und das bedeutet auch die Mathematik selbst) sind eben nur Werkzeuge die man nicht zu ernst nehmen sollte wenn es um absolute "Wahrheit" geht.

Delphi-Laie 25. Jan 2016 11:09

AW: Wie beweist man die objektive Existenz von irgendwas?
 
Zitat:

Zitat von mael (Beitrag 1328069)
sind die annahmen falsch, dann auch die schlüsse.

1=2 => 2=1 =>

1=2
2=1 (+)
-------
3=3 (=)

Dejan Vu 25. Jan 2016 12:10

AW: Wie beweist man die objektive Existenz von irgendwas?
 
Zitat:

Zitat von mael (Beitrag 1328069)
Das etwas existiert ist sicher:
Zitat:

Ich denke also bin ich.

Das ist eine Grundannahme, ohne Die der Rest irgendwie sinnlos ist. So etwas in dem Dreh meinte ich: Beweisen kann man es nicht, aber wenn man davon ausgeht, das man existiert, sind viele Dinge im Leben einfacher.

Übrigens "Ich denke, also bin ich" ist eine Implikation, die leider in die andere Richtung nur abgewandelt funktioniert: "Ich bin, denke ich (zumindest)".
;-)

p80286 25. Jan 2016 12:19

AW: Wie beweist man die objektive Existenz von irgendwas?
 
Möchtest Du der Scholastik wieder aufhelfen?


Gruß
K-H

JasonDX 25. Jan 2016 12:41

AW: Wie beweist man die objektive Existenz von irgendwas?
 
Zitat:

Zitat von Delphi-Laie (Beitrag 1328090)
Zitat:

Zitat von mael (Beitrag 1328069)
sind die annahmen falsch, dann auch die schlüsse.

1=2 => 2=1 =>

1=2
2=1 (+)
-------
3=3 (=)

Korrekt. Ironischerweise werden mit inkonsistenten/falschen Annahmen alle Schlüsse richtig. Mael's Aussage wäre folgendermaßen korrekt:

"Sind die Annahmen falsch, sind die Schlüsse nutzlos".

In einem inkonsistenten System ist sowohl eine Aussage, als auch ihre Negation beweisbar. D.h. mit 1=2 kann man 3=3 beweisen, aber auch 3<>3.



Zum Thema orientiere ich mich mal an der Überschrift:
Zitat:

Wie beweist man die objektive Existenz von irgendwas?
Jeder Beweis beginnt mit einer klaren Beschreibung dessen, was man beweisen oder widerlegen will. Zudem sollte man auch den Rahmen klären, in dem die Aussagen bewiesen oder widerlegt werden soll, insb. um die zulässigen Beweismethoden zu beschreiben.
Ich bezweifle, dass ein Beweis zu einer "objektiven Existenz von irgendwas" möglich ist, da
a) die Beschreibung davon bisher nicht ausreichend detailliert geklärt wurde, und
b) das Argumentationssystem nicht genannt wurde.
Ein Beweis muss nachvollziehbar sein - dies stellt strenge Ansprüche an getroffene Annahmen und verwendete Schlussfolgerungen.

mael 25. Jan 2016 19:11

AW: Wie beweist man die objektive Existenz von irgendwas?
 
Zitat:

Zitat von Delphi-Laie (Beitrag 1328090)
Zitat:

Zitat von mael (Beitrag 1328069)
sind die annahmen falsch, dann auch die schlüsse.

1=2 => 2=1 =>

1=2
2=1 (+)
-------
3=3 (=)

Zitat:

Zitat von JasonDX (Beitrag 1328103)
Korrekt. Ironischerweise werden mit inkonsistenten/falschen Annahmen alle Schlüsse richtig. Mael's Aussage wäre folgendermaßen korrekt:

"Sind die Annahmen falsch, sind die Schlüsse nutzlos".

Wenn man mit "Schluss" nur die Definition des "=>"-Operator/der Implikation meint ist das korrekt. Ist die Prämisse falsch ist die Aussage der gesamten Implikation wahr. Das ist aber eine Festlegung aus formalen Gründen und hat außerhalb der Logik keinen wirklichen Sinn/Aussagekraft.

Aber selbst innerhalb der Logik stimmt dies nur wenn man nur einzelne Schritte betrachtet.
Man will aber keine "lokale" Wahrheit, sondern globale Wahrheit. Man muss also Annahmen unabhängig vom Rest mit aufführen (1=2) und nicht nur implizit mitverwenden (1=2=>2=1). Die Wahrheit der gesamten Aussage wäre:

(1=2) und (1=2=>2=1) und (1=2 => 1+2=3) und (2=1 => 2+1=3)

Da die erste Aussage falsch ist, ist die Verundung mit dem Rest auch falsch.

Technisch gesehen müssten am Anfang der Aussage noch die Verundung mit den Grundaxiomen der Logik und der Rechenregeln stehen. Es fehlt also der Kontext.




Normalerweise wäre das wohl ein Detail, bei dem Thema finde ich es aber wichtig. Einer Implikation per Definition die Aussage wahr zu geben nur weil ihre Prämisse falsch ist ist ein technischer Trick, wahrscheinlich damit Ableitungsschritte unabhängig voneinander ausgeführt werden können.

Dieses "Wahr"-Ergebnis ist aber nur ein Hack. Man hätte genausogut (und wie ich finde sinnvoller) Implikationen mit falschen Prämissen das Ergebnis "Falsch" zuordnen können.

Delphi-Laie 25. Jan 2016 19:42

AW: Wie beweist man die objektive Existenz von irgendwas?
 
Zitat:

Zitat von mael (Beitrag 1328185)
aus einer falschen annahme kann nur wahres folgen.

1=2
1=2 (+)
-------
2=4 (=)

mael 25. Jan 2016 19:49

AW: Wie beweist man die objektive Existenz von irgendwas?
 
[QUOTE=Delphi-Laie;1328192]
Zitat:

Zitat von mael (Beitrag 1328185)
Zitat:

Zitat von Delphi-Laie (Beitrag 1328090)
Aus einer falschen Annahme kann nur Wahres folgen.

1=2
1=2 (+)
-------
2=4 (=)

Die Definition der Implikation ist durch folgende Wahrheitstabelle gegeben:

Code:
a  b  a => b
f  f    w
f  w    w
w  f    f
w  w    w
"a" ist die Annahme. Ich meine hier das Ergebnis des "=>"-Operators das aus der Verknüpfung von a und b folgt. Ich habe versucht das oben umzuformulieren (siehe Edit).


Ich hoffe es sind etwas mehr als diese Kleinigkeiten aufgefallen?

P.S.: Zur Kommunikationserleichterung wäre es hilfreich mehr als nur kurze Formeln hinzuschreiben (die bisherigen deuten auch nur die gewünschte Implikation an weisen sie aber nicht explizit auf, bei Diskussionen von Detailfragen sollte so etwas erwähnt werden), da wir hier offensichtlich an einander vorbeireden.

Luckie 25. Jan 2016 19:56

AW: Wie beweist man die objektive Existenz von irgendwas?
 
Anderer Ansatz: Was ist, wenn man das Gegenteil (nicht) Beweisen kann? Können wir beweisen, dass wir nicht eine Computersimulation eines übergeordneten Wesens sind? Wenn wir beweisen könne, dass wir es nicht sind? Sind wir dann real?

JasonDX 25. Jan 2016 20:44

AW: Wie beweist man die objektive Existenz von irgendwas?
 
Zitat:

Zitat von mael (Beitrag 1328185)
Wenn man mit "Schluss" nur die Definition des "=>"-Operator/der Implikation meint ist das korrekt. Aus einer falschen Annahme kann nur Wahres folgen. Das ist aber eine Festlegung aus formalen Gründen und hat außerhalb der Logik keinen wirklichen Sinn/Aussagekraft.

Deswegen versuchen wir auch, unsere Systeme konsistent zu halten. Ich verwende allerdings nur ungern die Implikation beim Kombinieren von Axiomen. Axiome sind eher vergleichbar mit einer Vektorbasis. Wenn man dann Axiome kombiniert, spannen diese die Menge der in dem System beweisbaren Aussagen auf.

Zitat:

Zitat von mael (Beitrag 1328185)
Aber selbst innerhalb der Logik stimmt dies nur wenn man nur einzelne Schritte betrachtet.
Man will aber keine "lokale" Wahrheit, sondern globale Wahrheit. Die Wahrheit der gesamten Aussage wäre:

(1=2) und (1=2=>2=1) und (1=2 => 1+2=3) und (2=1 => 2+1=3)

Da die erste Aussage falsch ist, ist die Verundung mit dem Rest auch falsch.

Technisch gesehen müssten am Anfang der Aussage noch die Verundung mit den Grundaxiomen der Logik und der Rechenregeln stehen. Es fehlt also der Kontext.

Kurz gesagt: Axiome sind Annahmen. Wie definierst du aber, dass eine Annahme falsch ist? Dafür brauchst du wieder Kontext, und wo nimmst du den her? Den musst du auch erst wieder definieren, und damit drehst du dich im Kreis.

Zitat:

Zitat von mael (Beitrag 1328185)
Normalerweise wäre das wohl ein Detail, bei dem Thema finde ich es aber wichtig. Wahr als Ergebnis der Implikation mit einer falschen Prämisse ist ein technischer Trick, wahrscheinlich damit Ableitungsschritte unabhängig voneinander ausgeführt werden können.

Dieses "Wahr"-Ergebnis ist aber nur ein Hack. Man hätte genausogut (und wie ich finde sinnvoller) Implikationen mit falschen Prämissen das Ergebnis "Falsch" zuordnen können.

Die Implikation ist kein Trick, und kein Hack, sondern macht vollkommen Sinn. Nehmen wir an, wir haben Axiome {a, b, c}, und wir können aus (a und b) -> F herleiten. (a und b) <-> F würde wenig Sinn machen - schließlich kann bspw auch (b und c) -> F auch gelten, und wenn wir dann a aus dem System entfernen, gilt F immernoch, (a und b) <-> F wäre aber falsch. (Triviales Beispiel: F = b)

Zitat:

Zitat von Delphi-Laie (Beitrag 1328192)
Zitat:

Zitat von mael (Beitrag 1328185)
aus einer falschen annahme kann nur wahres folgen.

1=2
1=2 (+)
-------
2=4 (=)

Mael hat hier vollkommen recht. Im System, das durch die Addition wie gewohnt, und 1=2 aufgespannt wird, ist 2=4 auch eine beweisbare, und damit wahre Aussage. Dieses System macht zum Beschreiben der realen Welt nicht zwingend Sinn, ist aber als theoretisches Mittel nicht unbedingt unnütz. Ich verstehe nicht ganz, was du mit deinem Beitrag sagen wolltest. Ohne zusätzlichen Kommentar oder Erklärung wird man dich kaum verstehen.

Zitat:

Zitat von Luckie (Beitrag 1328196)
Anderer Ansatz: Was ist, wenn man das Gegenteil (nicht) Beweisen kann? Können wir beweisen, dass wir nicht eine Computersimulation eines übergeordneten Wesens sind? Wenn wir beweisen könne, dass wir es nicht sind? Sind wir dann real?

Wenn wir das Gegenteil beweisen können, ist die ursprüngliche Aussage falsch (oder der Beweis wird durch ein inkonsistentes System aufgespannt).
Wenn wir etwas nicht beweisen können, können wir keine Schlüsse daraus ziehen. Bspw. können wir die Kontinuumshypothese nicht beweisen, egal ob sie richtig oder falsch ist.

Perlsau 25. Jan 2016 22:26

AW: Wie beweist man die objektive Existenz von irgendwas?
 
Zitat:

Zitat von Luckie (Beitrag 1328196)
Anderer Ansatz: Was ist, wenn man das Gegenteil (nicht) Beweisen kann? Können wir beweisen, dass wir nicht eine Computersimulation eines übergeordneten Wesens sind? Wenn wir beweisen könne, dass wir es nicht sind? Sind wir dann real?

Hier stellt sich mir zuerst einmal die Frage danach, was "real" genau meint und was es nicht meint. Wie definieren wir "real" oder "Realität"? Realität ist zunächst mal ein Fremdwort, das im Deutschen mit Wirklichkeit übersetzt werden kann. Die Wirklichkeitsdefinition hegt von Haus aus eine gewisse Verwandschaft zur Lüge und zu jener Art von Einbildung, die als Halluzination bekannt ist. Wirklichkeit wird gewöhnlich als Gegenteil von Einbildung und Lügenbericht gesehen.

Daher kann man sagen, daß wir gewöhnlich das für real erachten, was uns wirklich erscheint. Auch hier ist wieder der Schein im Spiel, denn er erscheint uns, und zwar auf unserem inneren Monitor, auf dem alles erscheint, was uns jemals erscheinen kann. Letztendlich bleibt festzuhalten: Wir entscheiden uns dafür, etwas als wirklich anzunehmen. Wenn wir uns erst einmal entschieden haben, dann bleiben wir gewöhnlich auch dabei, weil wir sehr viele weitere Entscheidungen treffen, die auf dieser ersten Entscheidung aufbauen. Niemand mag kognitive Dissonanzen, zumindest nicht im eigenen Kopf, und nicht wenige sind irgendwann völlig durchgedreht, wenn sie zu viele zu lange ertragen mußten. Also könnte man auch resümieren, daß es darauf ankäme, wie lange die Entscheidung her ist, dieses oder jenes Phänomen als wirklich zu betrachten. Es ist wahrhaftig nicht einfach, ständig wahrhaftig zu bleiben. Zu leicht lassen wir uns dazu verleiten, eine plausibel klingende Beschreibung als bare Münze zu nehmen. Wir sind ja größtenteils nicht einmal in der Lage, die täglichen News hinsichtlich ihres Wahrheitsgehaltes nicht nur zu beurteilen – denn das tun wir sowieso unweigerlich –, sondern sie auch zu überprüfen. Hier hat der gewöhnliche Mensch sich angewöhnt, stets dem jeweils stärksten Sender bzw. lautesten oder vehementesten Schreier zu glauben. Daher hat es sich auch durchgesetzt, daß Lügen, werden sie nur oft genug wiederholt, am Ende als Wahrheiten durchgehen.

Wirklichkeit ist also das Resultat einer Entscheidung, wobei nicht wenige Sachverhalte zwingend nahelegen, sie unweigerlich als Wirklichkeit anzuerkennen, denn ansonsten wird man gehauen oder sonstwie mit äußerst unangenehmen Empfindungen konfrontiert. In unserer normalen, gewöhnlichen Lebenswelt, unserer täglichen Umgebung sind wir immer gut beraten, die Wirklichkeiten, die man überprüfen kann, indem man z.B. dagegenrennt und sich dabei den Kopf stößt, ohne Zögern als Realität anzuerkennen. Das tun wir normalerweise auch, die meisten zumindest. Wir tun das aber auch gerne, wie schon erwähnt, in Situationen, die nicht so ohne weiteres überprüfbar sind, vermutlich aus Bequemlichkeit oder weil wir einfach müde oder erschöpft sind. Da wird z.B. ein Video in den Tagesthemen gezeigt und ein Sprecher erzählt dem Zuschauer, er sähe hier den Beweis dafür, daß die Syrische Armee den Friedensplan nicht einhalte. Können wir in der Rolle des Couch-Potatoes davon irgend etwas nachprüfen? Als ich könnte das erstmal nicht und würde das deshalb so glauben, weil es von einer mir bis dahin als seriös bekannten Einrichtung stammt: ARD – Tagesthemen? Die lügen doch nicht, die haben doch ihre Reporter in der ganzen Welt! Doch wie mußte ich staunen, als dasselbe Video am selben Tag im ZDF-Heute-Journal als Beweis dafür herhalten mußte, wie grausam die Taliban in Afghanistan wüten sollen? Da kommt mein gewohntes Schema, nach welchem ich bisher Wirklichkeit erzeugt habe oder habe erzeugen lassen, dann doch ziemlich unerwartet und heftig ins Wanken.

Die meisten Darstellungen im Fernsehen, die als "Wirklichkeit" ausgegeben werden, können wir also gar nicht auf ihren Wahrheits- und Wirklichkeitsgehalt hin überprüfen – nicht weil es theoretisch nicht möglich wäre, sondern weil es uns in dem Moment, wenn wir die Darstellung wahrnehmen, nicht möglich ist. Man bräuchte das Geld und die Zeit, da mal schnell hinzufahren und zu schauen, ob das dort wirklich so ist. Oft ist die Situation auch schon längst zu Ende, wenn das im Fernsehen berichtet wird, wie z.B. Demonstrationen, wo z.B. bei der TTIP-Demo in Berlin laut offiziellen Angaben der Medien nur ein paar Zehntausende waren, laut Veranstaltern und Berichten von Dabeigewesenen jedoch eine halbe Million Menschen demonstriert haben sollen. Keine Ahnung, wieviele das waren, ich war ja nicht dort gewesen.

Könnte man jetzt nicht einfach schlußfolgern, daß wir zwar grundsätzlich Herr darüber sein könnten, welche Wirklichkeiten wir erzeugen, in Wirklichkeit aber das meiste von dem, was wir wirklich von der Welt zu wissen glauben, aus den Medien stammt, denen wir gewöhnlich unvoreingenommen vertrauen? Immerhin, im oben genannten Fall kann ja nur einer von den beiden Berichten zutreffen, denn daß es in einer Stadt in Afghanistan bis aufs letzte Pixel genau so aussehen soll wie in einer syrischen Stadt, und zufällig genau derselbe Ausschnitt dieser Zwillingsstadt gefilmt worden sei, in derselben schlechten Qualität, scheint mir dann doch etwas zu weit hergeholt. Um das zu hinterfragen, genügt der Intelligenzquotient und Reifegrad eines Hauptschülers der vierten Klasse, und zwar nicht unbedingt des Klassenbesten. Solche von den Öffentlich-Rechtlichen doppelt eingesetzte Videos gibt es noch viele weitere. Zugegeben: die Versuchung ist groß, das so einprägend Bildhafte im Flimmerkasten als Wirklichkeit anzuerkennen.

Ein weiterer Aspekt der Wirklichkeitswahrnehmung – oder besser: Wirklichkeitserzeugung, denn die Wirklichkeit entsteht in unserem Kopf, und wir projizieren sie auf unsere Umgebung, gerade so, als ob die Wirklichkeit in unserem Kopf zweifelsfrei ein naturgetreues Abbild dieser Umgebung sei – also ein weiterer Aspekt ist genau das, nämlich der Blickwinkel, von dem aus wir unsere Wirklichkeit erzeugen (müssen). In einem Land wie dem unseren gibt es viele arme Menschen, die materielle Not leiden, viele Menschen im relativen Wohlstand, die an anderen Dingen leiden, viele ziemlich Wohlhabende, die auch nicht frei von Leiden sind, und einige wenige ganz reiche und superreiche, die – auch ihr Päckchen zu tragen und ihre Nöte haben, wenngleich sie mit Sicherheit keine materielle Not empfinden müssen. Nun könnte man nach dem gängigen "objektiven" Wirklichkeitsverständnis sagen: Die leben aller in derselben Wirklichkeit, denn die Wirklichkeit in Deutschland ist objektiv betrachtet, daß wir ein reiches Land sind und hier niemand hungern oder im Winter erfrieren muß. Wem das dennoch widerfährt, der ist irgendwie immer selbst schuld. Punkt. An dieser Stelle widerspricht man besser nicht, denn hier ist dann wohl ein Fundamentalist am Werk.

Doch die Position, aus der heraus der jeweilige Mensch die "Wirklichkeit betrachtet", in Wirklichkeit jedoch seine eigene Wirklichkeit im Kopf erzeugt (die wenigsten schienen zu wissen, daß sie das tun), ist von seiner Position in der Gesellschaft, oder um es etwas profaner auszudrücken, von der Hackhordnung auf der Hühnerleiter abhängig, und zwar ganz direkt und unmittelbar. Natürlich könnte sich der 60jährige mittellose langzeitarbeitslose Hartz-IV-Empfänger theoretisch eine Wirklichkeit ausmalen, die er sich wünscht bzw. wie sie der Wohlhabende gewöhnlich erzeugt. Allein hier stieße er mit dem Kopf oder anderen Körperteilen unweigerlich an jene Mauern, die ich oben bereits empfohlen habe, keineswegs außer Acht zu lassen wegen der unangenehmen Empfindungen, die solche Zusammenstöße auslösen. Kurz, es gelingt nicht dauerhaft, sich auf Träumereien und Halluzinationen zurückzuziehen. Also muß man in den untersten Rängen der Gesellschaft sein Wirklichkeitsmodell anpassen: Man ist niemand, man hat keinen Wert, man verdient es nicht, gut zu essen, Freunde zu haben, seine Zähne richten zu lassen, sich an sozialer Anteilnahme zu erfreuen usw. Kaum jemand, dem das auf Dauer widerfährt, kann die Illusion aufrecht erhalten, daß dem nicht so sei. Wenn ich als Obdachloser im Dreck liege, kann ich im Schlaf zwar davon träumen, in einem sauberen Bett zu liegen, werde aber jeden Morgen daran erinnert, wo ich bin und durch die Passanten und ihre Behandlung daran, was ich bin. Und auch dann, wenn du oder du jetzt aufbegehrst und meinst, daß jeder Mensch doch etwas wert sei und alle Menschen die gleichen Rechte hätten – allein die Wirklichkeit würde dir widersprechen, ganz besonders die Wirklichkeit des jeweils Betroffenen, denn er muß sie glauben und verinnerlichen, sonst kommt er in noch größere Konflikte.

Vollkommen jenseits aller Überprüfbarkeit scheint mir daher deine Fragestellung, werter Luckie: Ich glaube nicht, daß wir auch nur über den geringsten Ansatzpunkt verfügen, hierzu irgendwelche Nachforschungen zu betreiben, wenn wir doch nicht einmal in der Lage sind, das theoretisch und machbar Nachprüfbare zu verifizieren. Ob mein Bewußtsein meiner Selbst, die Wahrnehmung meiner Existenz nun darauf beruht, daß ich eine mehr oder weniger harmonische Gesellschaft von Zellen bin, deren Vorfahren sich vor unendlich langer Zeit einmal dazu entschlossen haben, in Zukunft auf symbiotischer Grundlage zusammenzuarbeiten, oder ob ich das Resultat intelligenter Atome, Elektronen oder Quarks bin, oder ob sich irgendwelche Strings in ganz besonderer Weise zusammentun, um einen Frank oder einen Luckie zu bilden (was übrigens auch in den Büchern Carlos Castanedas behauptet wird), oder ob hier irgendwelche elektromagnetischen Felder am Wirken sind, oder ob es Materie tatsächlich gibt, was die modernen Atomphysiker ja heutzutage eher verneinen, denn Materie wäre nur eine besonders schnell schwingende Energieform – ist letztlich für mein Leben und dessen glücklichen oder unglücklichen Ausgang zweitrangig, wenn nicht gar vollkommen irrelevant. Vielleicht stellen sich die Milliarden Baktieren auf ihre Weise ähnliche Fragen? Oder die Zellen meines Körpers ... "Wieso muß ich eine Darmzelle sein, wäre ich doch viel lieber eine Hirnzelle?" Kann die Ameise den Wald verstehen oder auch nur überblicken? Kann der Mensch sich ein Wesen vorstellen, von dem es laut diverser Religionsvorstellungen ein Teil sein soll? Vorstellen vielleicht schon, denn vorstellen kann man sich vieles. Fragt sich nur, was oder wieviel diese Vorstellung mit den tatsächlichen Verhältnissen und Gegebenheiten zu tun hat :?:

Die letzten Geheimnisse des Universums und allen Seins – wen interessiert das schon? Mich eher weniger, umso mehr die Geheimnisse unseres derzeitigen Lebens und unserer derzeitigen Situation.

mael 25. Jan 2016 22:53

AW: Wie beweist man die objektive Existenz von irgendwas?
 
Zitat:

Zitat von JasonDX (Beitrag 1328204)
Kurz gesagt: Axiome sind Annahmen. Wie definierst du aber, dass eine Annahme falsch ist? Dafür brauchst du wieder Kontext, und wo nimmst du den her? Den musst du auch erst wieder definieren, und damit drehst du dich im Kreis.

Axiome kann man nicht beweisen, aber Axiome dürfen sich nicht widersprechen. Ein Modell das Widersprüche in sich hat kann nicht zum sicheren logischen Schließen verwendet werden. Mathematik fordert aber Widerspruchsfreiheit. Wenn ich also eine weitere Annahme hinzufüge die den Axiomen widerspricht (1=2), dann ist auch jede damit geformte Aussage falsch (ob mit Implikation geformt oder anderen Verknüpfungen) da man immer (1=2) mit den Axiomen verunden muss. Alles was man aus so einem inkonsistenten Axiomensystem schließt ist eigentlich undefiniert, aber bei einer zweiwertigen Logik (true/false) ist false immernoch besser als Klarheit zu suggerieren (true).

D.h. wenn ich Konsistenzforderungen habe, dann kann ich sagen dass etwas falsch ist bezüglich dieser Forderungen, und damit auch der ganze Rest den ich daraus ableite.

Also, innerhalb dieses Systems, kann ich sehr wohl wahre von falschen Aussagen trennen. Aber ich mache eben eine Menge Annahmen die nicht unbedingt offensichtlich sind, wie dass sich die Axiome nicht ändern, dass ich Objekte zweifelsfrei vergleichen kann, dass Objekte durch den Vergleich nicht verändert werden, usw.

Aber ich kann immerhin unsinnige Aussagen von sinnvollen trennen. Das Problem ist, wie bei jeder Diktatur, wenn ich das Prinzip radikal durchziehe: Habe ich was vergessen? Sind meine Annahmen zu eng? Welche Voraussetzungen nehme ich unbewusst an? Daher bin ich für Logik in der Praxis aber vorsichtig wenn man versucht sie zu weitreichend anzuwenden. Es "skaliert" schlecht. Ebenso andere (Teil-)Welttheorien. Interessant, nützlich, aber nicht die Wahrheit und sollte nicht in Wissenschaftsgläubigkeit ausarten. Mathematik ist auch nicht reiner oder wahrer als andere Modelle/Wissenschaften.

Zitat:

Zitat von JasonDX (Beitrag 1328204)
Nehmen wir an, wir haben Axiome {a, b, c}, und wir können aus (a und b) -> F herleiten. (a und b) <-> F würde wenig Sinn machen - schließlich kann bspw auch (b und c) -> F auch gelten, und wenn wir dann a aus dem System entfernen, gilt F immernoch, (a und b) <-> F wäre aber falsch. (Triviales Beispiel: F = b)

Ich bin mir nicht sicher ob ich verstehe worauf du hinaus willst. Wenn du a aus dem System entfernst hat die Aussage (a und b) <-> F keinen Sinn mehr da a nun undefiniert ist (weder true noch false).

Um es mal zu vereinfachen und handlicher zu machen warum A=>B wahr ist wenn A falsch ist, zitiere ich mal von dieser Seite: http://matheraum.de/forum/Logische_Implikation/t1011634
Zitat:

Zitat von Alltagsbeispiel
Wenn ich sage "Wenn es morgen regnet, dann werde ich mein Zimmer aufräumen.", dann habe ich weder gelogen wenn am nächsten Tag die Sonne scheint und ich mein Zimmer nicht aufräume noch habe ich gelogen wenn am nächsten Tag die Sonne scheint und ich mein Zimmer trotzdem aufräume.

Würde also in etwa dem hier entsprechen: Zeit=Morgen und Wetter=Regen => Zeit=Morgen und Handlung=Räume_Zimmer_Auf
Nimmt man an dass das Wetter unklar ist (Regen oder Sonnenschein) ist die obige Logik sinnvoll. Es ist also wahr was ich verspreche (Zimmer aufräumen wenn es regnet) egal welches Wetter es wird. Weiß man allerdings schon dass morgen die Sonne scheint kann man auch gleich sagen "Ich räume das Zimmer nicht auf".

Technisch keine Lüge, aber praktisch eine Irreleitung, da man natürlich von der Erfüllbarkeit der Bedingung ausgeht.

Das Problem ist also dass man eine Möglichkeit suggeriert (Zimmer aufräumen) die nie eintreten wird.

Die Implikation ist also isoliert (was ich oben "lokal" genannt habe) nicht falsch, aber es wird eben zusätzliches Wissen ignoriert das besagt dass der Fall Wetter=Regen nie erfüllbar ist.

Deswegen nenne ich es einen Hack. Praktisch zum Rechnen (und für Anwälte ;)) damit man wahre Aussagen treffen kann ohne sich um den konkreten Zustand (hier Wetter) der Welt zu kümmern.

Vielleicht sollte ich eher nicht erfüllbar sagen als falsch.

Worauf ich eigentlich hinaus will ist das hier:
http://www.ratioblog.de/entry/fehlsc...sche-praemisse

Hier wird von falscher Schlussfolgerung gesprochen.

Fazit:
Die Verwirrung entsteht also aus unsauberer Terminologie, denn Schlussfolgerung meint zumindest zwei Dinge:
https://de.wikipedia.org/wiki/Schlussfolgerung

Einmal die gesamte Implikation also, Prämisse => Konklusion, aber auch die Konklusion selbst wird Schlussfolgerung genannt.

Daher entsteht wohl die Verwirrung, weil man überlicherweise mit Schlussfolgerung die Konklusion meint und nicht das Gesamte: Prämisse => Konklusion.

Wenn man also nochmal das Beispiel mit dem Zimmer aufräumen nimmt. Die Schlussfolgerung (im Sinne der Konklusion) dass ich das Zimmer aufräumen werde ist falsch, wenn ich weiß dass es nicht Regnen wird.

Also, kann eine Welt die falsche Annahmen macht keine wahren Schlüsse (im Sinne von Konklusion) ziehen die diese Annahmen benötigen. Man kann wertlose Aussagen treffen (wie im Rechtswesen ;) ) die für sich genommen wahr sind, aber nie erfüllbar. So etwas nennt man verwirrenderweise auch Schluss/Schlussfolgerung.

Ich würde soetwas (den "Rechtswesenschluss") eher kontextlosen Schluss oder abstrakten Schluss nennen. Die Instantiierung/Konkretisierung davon wäre dann was man üblicherweise Schlussfolgerung (Konklusion) nennt.

Aber egal... klare Begriffe waren noch nie die Stärke der Mathematik. Meine Vorschläge sind sicher auch nicht perfekt.

mael 26. Jan 2016 00:31

AW: Wie beweist man die objektive Existenz von irgendwas?
 
Zitat:

Zitat von Luckie (Beitrag 1328196)
Anderer Ansatz: Was ist, wenn man das Gegenteil (nicht) Beweisen kann? Können wir beweisen, dass wir nicht eine Computersimulation eines übergeordneten Wesens sind? Wenn wir beweisen könne, dass wir es nicht sind? Sind wir dann real?

Beweisen wird schwierig. Man kann aber nach Anhaltspunkten suchen.
Dazu gibt es Gedankenspiele wie 2D-Wesen eine 3D-Welt wahrnehmen könnten, und wie Hinweise für ein 2D-Wesen aussehen könnten für den Fall dass es weniger Dimensionen wahrnimmt als es gibt:
https://www.youtube.com/watch?v=EnPtl4YB8fA

Ein Hinweis ist z.B. dass sich Sachen nicht so verhalten sollten wenn alles 2D wäre, wie z.B. durch Wände zu gehen (was ein 3D Wesen kann wenn die Wände nur Striche auf einem Papier, also der 2D-Welt, sind).


Unabhängig davon wie die Welt genau aussieht. Real sind wir auf jeden Fall. In irgendeiner Form muss man existieren, sonst könnte man nicht denken.

Was jetzt realer ist, Menschen die aus Materie oder elektrischer Energie (im Computer) bestehen ist dann Geschmackssache. Es wirft aber natürlich die Frage auf was denn der wesentliche Aspekt des Menschseins ist, was viele Seele nennen. Dazu gibt es natürlich auch wieder etliche Ansichten.

Kann man sowas beweisen? Mit üblichen Denkmethoden jedenfalls nicht. Irgendwann macht man immer Annahmen, und darauf basierend schließt man. Man kann dann nur noch Konsistenz prüfen, oder ob die Erklärung nicht zu komplex ist für die beobachteten Ereignisse. Das ist das Prinzip von Ockhams Rasiermesser, was nur ein erwünschtes "Gütekriterium" einer Theorie ist, aber kleineswegs zwingend. Vereinfacht gesagt fordert es dass die einfachste Erklärung die wahrscheinlichste ist.

Perlsau 26. Jan 2016 01:09

AW: Wie beweist man die objektive Existenz von irgendwas?
 
Na, das mit der Lüge ist auch so eine spezielle Sache. Man kann ja schlecht sagen "du lügst", wenn der andere es einfach nicht besser weiß. Was du da als Beispiel gewählt hast, ist eher ein Versprechen. Lüge ich, wenn ich ein Versprechen gebe und es später nicht einhalte? Ich breche das Versprechen, das sowas wie ein Vertrag ist. Verträge sind verbindliche Versprechen, Lippenbekenntnisse in der Regel dagegen nicht. Auch wenn ich mein Zimmer nicht aufräume, obwohl es regnet, habe ich nicht zwingend gelogen, sondern lediglich ein Versprechen gebrochen. War es von vorneherein ein leeres Versprechen, hatte ich also gar nicht vor, mein Zimmer aufzuräumen, selbst wenn es dann regnet, dann habe ich in der Tat gelogen, indem ich eine Absicht kundtat, die ich gar nicht hatte, wie z.B.: "Ich werde dich nicht über's Ohr hauen.", wenn ich genau das vorhabe. Wurde ich aber durch irgend etwas davon abgehalten, mein Zimmer aufzuräumen, z.B. erkrankt, Unfall, wichtige Termine oder was auch immer, dann habe ich nicht gelogen, denn ich habe am Tag zuvor eine Aussage über meine Absicht gemacht, und die bestand ja zum Zeitpunkt der Aussage durchaus.

Ich würde daher die Lüge als "bewußte Falschaussage" definieren: Ich stelle eine Sache so dar, wie sie meines Wissens nach nicht ist. Die erfolgreichsten Lügen sind jene, die mit Halbwahrheiten arbeiten, wobei dem "Halbwahrheiten-Lügner" meist der Beweis desjenigen Teils, der zutrifft, als Beleg für die Wahrheit der ganzen Aussage gilt. Unbewußte Falschaussagen, die z.B. auf Fehlinformation beruhen, sind daher keine Lügen im engeren Sinne, denn das Lügen wird ja gewöhnlich als zutiefst amoralische Handlung angesehen. Man kann aber niemanden dafür verurteilen, der selbst belogen oder falsch informiert wurde. Man kann jedoch einem Menschen, der häufig kritiklos Informationen übernimmt und als wahr weitergibt, mangelnde Sorgfalt vorhalten, wie das z.B. auf viele Journalisten zutrifft, die aber andererseits wiederum ihren Job riskieren, wenn sie dann doch einmal recherchieren, ob die Reuters-Meldung denn tatsächlich zutrifft. Lediglich dann, wenn der betreffende Journalist genau weiß, daß das, was er schreibt, unwahr ist, lügt er.

Der kleine Bruder der Lüge ist die Andeutung eines Verdachts, um absichtlich ein Gerücht in die Welt zu setzen, ohne wirklich eine Lüge zu verbreiten: "Aus gewissen (gut informierten, ungenannten, geheimen etc.) Quellen verlautete, daß Herr Soundso Kinderpornographie auf seinem Rechner haben soll." Wenn man ihm dieses Gerücht wirklich zugetragen hat, dann lügt er nicht wirklich, denn er berichtet ja "nur" das, was er gehört haben will. Moralisch vertretbarer als die Lüge ist das aber auch nicht wirklich ... Beide, Lügen und Gerüchte verbreiten sind meist sehr schwer nachzuweisen, wobei wir wieder beim Thema Wirklichkeit wären.

In der Wissenschaft sind Lügen vergleichsweise selten, denn dort gibt es ganz klare Regeln, nach denen Behauptungen aufgestellt werden dürfen. Im sozialen Umfeld des gesellschaftlichen Miteinanders sind Lügen offenbar an der Tagesordnung, wie diese kleine Auswahl deutlich macht:
Als eine der dreistesten Lügen gilt für mich noch immer die Behauptung, man habe die Sache objektiv betrachtet und sei daher zu dem Schluß gekommen, daß zu dieser Entscheidung keine Alternativen existieren.


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