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haentschman 30. Apr 2021 07:48

Digitalisierung Deutschland
 
Zitat:

ZITAT:

Erfolglos hat die FDP-Fraktion am Montag versucht, eine Verfassungsbeschwerde nach Karlsruhe zu faxen. Ist das ein Beleg für den miserablen Stand der Digitalisierung in Deutschland? Jein.

„Wir haben es von 15:59 Uhr bis 22:18 Uhr per Fax probiert“, erzählt Marco Buschmann, der parlamentarische Geschäftsführer der FDP im Bundestag, den Kollegen von der Süddeutschen Zeitung. Dann habe man aufgegeben und stattdessen am Dienstagmorgen einen Boten losgeschickt. Gegenstand der Bemühungen war die Verfassungsbeschwerde der FDP gegen die sogenannte Bundesnotbremse, das geänderte Infektionsschutzgesetz, das seit dem vergangenen Wochenende in Kraft ist.
Hihi, ein Fax

Allein die Aussage Buschmanns, Mitarbeiter hätten über sechs Stunden und 19 Minuten lang versucht, die Beschwerde per Fax von Berlin nach Karlsruhe zu bringen, erheitert viele Digitalisierungs-Aficionados. Das wäre Deutschland 2021, Unterlagen müssten gefaxt oder per – möglichst noch berittenem – Boten übermittelt werden.

Die Heiterkeit ist verständlich. Schließlich hat sich in den vergangenen Monaten allzu oft gezeigt, dass Behörden in Deutschland auf anachronistische Weise miteinander kommunizieren. In der Kommunikation zwischen Gesundheitsbehörden in der Coronakrise ist das Faxgerät zu zweifelhaftem Ruhm gelangt.
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Problem: Das sogenannte Schriftformerfordernis

Mit Blick auf den Fall der fehlgeschlagenen Einreichung der FDP-Verfassungsbeschwerde ist Häme indes nicht angebracht – jedenfalls nicht gegenüber den Einreichern. Die haben nämlich nur versucht, sich an die Buchstaben des Paragrafen 23 Absatz 1 Satz 1 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfGG) zu halten. Darin heißt es: „Anträge, die das Verfahren einleiten, sind schriftlich beim Bundesverfassungsgericht einzureichen.“

Dieses sogenannte Schriftformerfordernis hat das Bundesverfassungsgericht immer wieder und zuletzt in einem Urteil aus dem Jahr 2018 so definiert, dass es nur erfüllt wird, wenn „ein körperliches Schriftstück“ eingeht. Das entspricht auch der sogenannten herrschenden Meinung, wie sie sich etwa in juristischen Kommentaren zum BVerfGG finden lassen.

Und – wer würde es bestreiten – eine E-Mail ist kein körperliches Schriftstück. In dem bereits genannten Urteil hatte das Gericht sogar eine Klage abgewiesen, die über das rechtssichere und die Identität gewährleistende De-Mail-System eingegangen war – und zwar an die De-Mail-Adresse des Gerichts.

Niemand hätte bestreiten können, dass die Klage von der Person X ganz sicher an das Gericht übermittelt worden war. Ganz egal: Eine E-Mail ist kein körperliches Schriftstück.
Wer müsste nun tätig werden?

Worin unterscheidet sich aber nun ein zunächst nicht körperliches Fax von einer ebensolchen E-Mail, mögen sich digitalisierungsfreudige Lesende nun fragen. Dazu hat das Gericht eine Antwort parat. So sei nämlich ein Telefax „zum sofortigen Ausdruck bestimmt“, eine E-Mail hingegen nicht.

Der schwarze Peter in dieser Angelegenheit liegt mithin nicht bei der FDP-Bundestagsfraktion und – abgesehen von Interpretationsspielräumen – auch nicht beim Gericht. Der schwarze Peter liegt eindeutig beim Gesetzgeber. Der müsste die E-Mail explizit als „verfahrenseinleitendes Schriftstück“ zulassen.
...ich wußte ja daß es schlimm ist... aber so. :roll:
Zitat:

Das wäre Deutschland 2021, Unterlagen müssten gefaxt oder per – möglichst noch berittenem – Boten übermittelt werden.
:cheer:

Daniel 30. Apr 2021 08:02

AW: Digitalisierung Deutschland
 
Es ist nichts ungewähnliches, dass diverse wichtige Schriftstücke in Papierform vorliegen sollten. Bei Miet- oder Arbeitsverträgen dürfte da ein Konsens herrschen. Auch notarielle Bescheinigungen über Grundsücks- oder Wohneigentum liegen mit einer Selbstverständlichkeitkeit auch auf Papier vor.

Ich weiß ehrlich gestanden nicht, warum dies ausgerechnet bei einer Verfassungsklage anders sein soll. Ein herkömmliches Einschreiben wäre ein adäquates Mittel gewesen.

haentschman 30. Apr 2021 08:14

AW: Digitalisierung Deutschland
 
Zitat:

dass diverse wichtige Schriftstücke in Papierform vorliegen sollten...berittenem – Boten
:wink: Ist schon klar...ich hatte nur die Vorstellung "mit einem weißen Pferd durch Berlin". :zwinker:

Es geht ja aber schon im Kleinem beim User los. In unserer Firma werden alle Rechnungen sowohl als PDF "gedruckt" und per USB zum Steuerberater übermittelt...aber zusätzlich noch in Papierform in einen Ordner geheftet! :gruebel: Die Regale sind richtig lang. Die User gehen lieber an den Ordner im Schrank als im "Dateisystem" das PDF anzuschauen. :?

Uwe Raabe 30. Apr 2021 08:21

AW: Digitalisierung Deutschland
 
Zitat:

Zitat von Daniel (Beitrag 1488258)
Bei Miet- oder Arbeitsverträgen dürfte da ein Konsens herrschen.

Interessanterweise genügt für das Zustandekommen eines Arbeitsvertrags auch eine mündliche Willenserklärung der Beteiligten.

Rollo62 30. Apr 2021 08:32

AW: Digitalisierung Deutschland
 
Zitat:

Zitat von Uwe Raabe (Beitrag 1488261)
Zitat:

Zitat von Daniel (Beitrag 1488258)
Bei Miet- oder Arbeitsverträgen dürfte da ein Konsens herrschen.

Interessanterweise genügt für das Zustandekommen eines Arbeitsvertrags auch eine mündliche Willenserklärung der Beteiligten.

Ist denn Mp3 ein gesetzlich abgesegnetes Speicherformat 😀

Daniel 30. Apr 2021 08:38

AW: Digitalisierung Deutschland
 
Zitat:

Zitat von Uwe Raabe (Beitrag 1488261)
Interessanterweise genügt für das Zustandekommen eines Arbeitsvertrags auch eine mündliche Willenserklärung der Beteiligten.

Dass vieles geht, steht natürlich außer Frage. Mit Konsens meinte ich eher die Tatsache, dass die überwiegende Mehrheit der Angestellten einem entsprechenden Schriftstück nicht abgeneigt sein dürfte. ;-)

Delphi.Narium 30. Apr 2021 09:29

AW: Digitalisierung Deutschland
 
Ein grober Überblick über das was möglich und das was rechtlich zulässig ist:

Digitale Verträge
Am sichersten ist noch die Papierform


Die Papierform ist nicht deshalb nötig, weil wir zu wenig digitalisiert sind, sondern weil sie rechtlich erforderlich ist.

Die technische Möglichkeit alle Dokumente als PDF, ... zu speichern, zu verschicken, auszutauschen, die einfachere Handhabe von Dokumenten in digitaler Form, ist halt nicht identisch mit den rechtlichen Erfordernissen.

Wenn also alle Dokumente als PDF an den Steuerberater geschickt werden können, so ist das "Bequemlichkeit". Bei rechtlichen Problemen, Gerichtsverfahren ..., wird auch der Steuerberater nach der Papierform verlangen (müssen).

Es ist halt zu unterscheiden zwischen:

Wegen mangender Digitalsierung nicht möglich.

und

Trotz ausreichender Digitalisierung nicht zulässig.

Frickler 30. Apr 2021 09:35

AW: Digitalisierung Deutschland
 
Zitat:

Zitat von haentschman (Beitrag 1488260)
Es geht ja aber schon im Kleinem beim User los. In unserer Firma werden alle Rechnungen sowohl als PDF "gedruckt" und per USB zum Steuerberater übermittelt...aber zusätzlich noch in Papierform in einen Ordner geheftet! :gruebel: Die Regale sind richtig lang. Die User gehen lieber an den Ordner im Schrank als im "Dateisystem" das PDF anzuschauen. :?

Dahinter steckt die tiefsitzende Angst, der Computer könnte irgendwann mal so ausfallen, dass die Dokumente nicht mehr les- oder erreichbar sind (vielleicht bekommt auch der eine oder andere mit, wie das in anderen Firmen ist, wenn sich ein Verschlüsselungstrojaner ausgetobt hat). Da gibt die Haptik von Papier und von schweren Akten eine gewisse Beruhigung.

Und dazu dann vielleicht noch die Unsitte, wenn Dokumente gemailt werden müssen, diese nicht direkt vom PC zu mailen, sondern erst auszudrucken, um dann die "Scan to Mail" Funktion im Multifunktionsdrucker nutzen zu können. Warum? Nur mit dem Papier in der Hand manifestiert sich die Gewissheit, dass wir das "auch wirklich" gesendet haben.

Der schöne Günther 30. Apr 2021 09:36

AW: Digitalisierung Deutschland
 
Zitat:

Zitat von Daniel (Beitrag 1488258)
Ein herkömmliches Einschreiben wäre ein adäquates Mittel gewesen.

Eben. Wäre aber wahrscheinlich nicht so medienwirksam gewesen wie etwas wo man "Fax" 📠 in den Titel packen kann.

TiGü 30. Apr 2021 12:29

AW: Digitalisierung Deutschland
 
Ich bin da immer ganz hin- und hergerissen.
Da schlagen sozusagen zwei Seelen in meiner Brust.
Einerseits wäre es gut (Papier-)Ressourcen einzusparen und Wartezeiten zu reduzieren, andererseits ist Digitales auch irgendwie flüchtig und leicht bis mittelschwer hackbar.

Jedem, dem schonmal die Festplatte/SSD ohne Backup gecrasht ist, oder sich, wie Frickler anmerkt, eine Ransomware eingefangen hat (man denke da nur an den Automatisierungtechniker Pilz GmbH & Co. KG), weiß um den Wert von analogen Speicherungen.
Mein Arbeitsvertrag habe ich analog in Papierform, die Lohnzettel kann ich mir selber von Datev als PDF runterladen.

Ich finde es auch völlig legitim, dass im Bundeskanzleramt eine Rohrpostanlage und Schreibmaschinen im Einsatz sind.
Man muss es anderen Staaten ja nun nicht völlig einfach machen mit dem Abhören und Spionieren.

Der goldene Mittelweg ist wahrscheinlich das Beste.
Soviel wie möglich und nötig digitalisieren und vernünftig absichern und sichern.
Mikrofilme sind immer noch eine Option, anstatt sich die Regale mit Ausdrucken zuzustellen (https://www.golem.de/news/open-sourc...07-149719.html).


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