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Perlsau
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#42

AW: Aktuelle Politik

  Alt 23. Mai 2012, 05:50
Für aufrichtig halte ich die meisten sowieso nicht, aber für kompetent ebensowenig
Zum Abzocken muß man ja auch nicht allzu kompetent sein Ebenso wie der Liberalismus nicht die Freiheit aller, sondern lediglich der wohlhabenden Mittel- und Oberschicht meint, wurde der Neoliberalalismus mit seiner Hauptforderung Deregulierung nicht erfunden, um eine gerechtere Welt zu schaffen, sondern um das Abzocken zu erleichtern. Und in einem Staat, in dem weniger reguliert werden soll, braucht man weniger sachverständige, sondern mehr gehorsame Politiker. Nur schade, daß sich kaum jemand für die Hintergründe interessiert, vor allem nicht für die lange Zeit neoliberaler Machenschaften vor Thatcher und Co. Ich möchte dazu zwei Bücher empfehlen:

Jürgen Nordmann: Der lange Marsch zum Neoliberalismus Auszüge
Vom Roten Wien zum freien Markt – Popper und Hayek im Diskurs
Die vorliegende Arbeit ist die überarbeitete Fassung der Dissertation "Modernisierung liberalen Denkens. Wechselwirkungen zwischen Kritischem Rationalismus und Neoliberalismus", die am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften und Philosophie der Universität Marburg angenommen wurde. Der Neoliberalismus hat die These vom angeblichen Ende der Ideologien eindrucksvoll widerlegt. Aber wie ist seine Wirkmächtigkeit zu erklären? Jürgen Nordmanns Buch ist ein Beitrag zur Erforschung der Entstehung, Entwicklung und Durchsetzung des Neoliberalismus. Darüber hinaus analysiert er ihn als politisches Projekt. Jürgen Nordmann, geb. 1968, Politikwissenschaftler und Publizist in Kaiserslautern. Wissenschaftliche Veröffentlichungen zu den Themenfeldern "Wirtschaftspolitische Strategien im zweiten Weltkrieg", "Rechtsliberale Intellektuellengruppen" und "Poppers Demokratieverständnis".


Interessant ist hier der Eifer, mit dem Banken, die größten Befürworter neoliberaler Deregulierung, plötzlich nach staatlicher Regulierung schreien, wenn sie ausschließlich ihnen zugute kommt. Das ist genau die Art & Weise, wie man Liberalismus und Neoliberalismus zu verstehen hat.

Christoph Butterwegge, Bettina Lösch & Ralf Ptak: Kritik des Neoliberalismus Auszüge
"Neoliberalismus" steht für eine seit den 1930er-Jahren entstandene Lehre, die den Markt als Regulierungsmechanismus gesellschaftlicher Entwicklungs- und Entscheidungsprozesse verabsolutiert. Es handelt sich um eine breite geistige Strömung mit unterschiedlichen historischen wie länderspezifischen Erscheinungsformen, Strategievarianten und Praktiken. Eigentlich müßte man von "Neoliberalismen" sprechen, die sich auf verschiedene theoretische Ansätze und Konzepte zur Umsetzung stützen. Das gesellschaftspolitische Projekt des Neoliberalismus strebt nach einem Kapitalismus ohne wohlfahrtsstaatliche Begrenzungen. In dem vorliegenden Buch setzen wir uns mit den theoretischen Grundlagen des Neoliberalismus auseinander und analysieren die wichtigsten Denkrichtungen. Darüber hinaus werden seine praktischen Auswirkungen im Hinblick auf die Verfaßtheit der Bundesrepublik beleuchtet. Ökonomie, (Sozial-) Politik und Demokratie stehen dabei im Zentrum der Aufmerksamkeit. Mit dieser Veröffentlichung wenden wir uns nicht nur an ein Fachpublikum, sondern auch an politisch Interessierte, die an einer kritischen Einführung in den Neoliberalismus, überzeugenden Gegenargumenten und alternativen Denkansätzen interessiert sind.

Was tatsächlich passiert ist, wird einem erst bewußt, wenn man diese und andere Hintergründe der gallopierenden Entsozialisierung in Europa und den USA kennt, z.B. diesen:

Steuerschwund wegen Privilegien für Unternehmen und hohe Einkommen
Zu den Ergebnissen des Arbeitskreises Steuerschätzung
Diese Bundesregierung ist im wahrsten Sinne des Wortes bankrott: Gegenüber der letzten Steuerschätzung vor einem halben Jahr klafft bei den erwarteten Steuereinnahmen eine Lücke von fast 10 Milliarden (9,6 Mrd. Euro), davon 8,3 Milliarden allein beim Bund. Im Jahr 2005 sind es bereits 15,2 Milliarden Euro und bis zum Jahr 2007 addieren sich die Steuerausfälle gegenüber der Schätzung vom Mai 2003 auf 61 Milliarden Euro (davon 40,2 Mrd. beim Bund); dabei wurden bereits damals die Zahlen in der mittelfristigen Finanzplanung um zig-Milliarden nach unten korrigiert. Die Steuermindereinnahmen, weitere Fehlkalkulationen (Toll-Collect) und Mehrausgaben führen zu neuen Milliardenlöchern im Bundeshaushalt. Für 2004 ist mit einer Rekordverschuldung von weit über 40 Milliarden Euro beim Bundeshaushalt zu rechnen. Die Haushaltslöcher werden gestopft durch neue Schulden, Verscherbelung des letzten Tafelsilbers (Privatisierungen), Abbau von Steuervergünstigungen bei Arbeitnehmern und – spätestens nach den Landtagswahlen – durch zusätzlichen Sozialabbau.


Letztendlich wollen die treibenden Kräfte hinter den neoliberalen Machenschaften einen Neo-Feudalismus etablieren, um ihre Macht für alle Zeiten zu sichern. Dazu ist ihnen jedes Mittel recht. Mittels Lobbyisten wurde daher erstmal den Regierungen damit gedroht, massenweise Arbeitsplätze in Billiglohnländer zu verlagern, wenn man ihnen nicht ganz besondere Privilegien einrichtet, allen voran wenig bis gar keine Steuerbelastung. Die daraus resultierende Leere der Staatskassen wurde nun wiederum als Argument für Privatisierung und Deregulierung verwendet. Mit Recht zu erwartende Unmutsäußerungen aus der Bevölkerung sollen mit wachsender Staatskontrolle eingedämmt werden, daher der ständige Druck zur Kontrolle des Internet und zur Vorratsdatenspeicherung. Wenn die Bevölkerung nicht bald aufwacht, haben wir in 20 oder 30 Jahren in den vormals sogenannten Demokratien nur noch Polizeistaaten à la DDR. Zum Glück werde ich bis dahin wohl das Zeitliche gesegnet haben oder zumindest kurz davor stehen ...

Die Ursache für die Unmenschlichkeit und Menschenfeindlichkeit neoliberaler Akteure sieht Joel Bakan in der grundsätzlichen Soziopathie der globalen Konzerne und Banken:

Joel Bakan: Das Ende der Konzerne Auszüge
Die selbstzerstörerische Kraft der Unternehmen
Sind Konzerne destruktiv für die Gesellschaft und ihre Moral?
Es ist die ureigenste Aufgabe jedes Unternehmens, nur seine eigenen Interessen zu verfolgen. Es ist ihm "weder möglich, moralische Gründe anzuerkennen, noch aufgrund dieser davon abzusehen, anderen Schaden zuzufügen". Bakan beschreibt die Entstehung der Konzerne – vom Beginn der Industrialisierung bis heute. Und er führte Interviews mit Fachleuten, unter anderem mit dem Vorstandsvorsitzenden des Pharma-Riesen Pfizer ebenso wie mit dem Nobelpreisträger Milton Friedman und mit Noam Chomsky. Bakan legt aber auch Vorschläge vor, wie die Macht der Konzerne zu begrenzen ist. "Das Ende der Konzerne" entwickelt kein Horrorszenario ohne Ausweg, sondern ist ein Aufruf zur Verteidigung der Menschenrechte und für das couragierte Eintreten gegen die Logik des Profits und die ungehemmte Ausweitung dieser Logik auf alle Lebensbereiche.


Zu Bakan siehe auch seinen Film The Corporation, den es bei Youtube als Sechsteiler gibt (englisch mit deutschen Untertiteln):
Teil 1 von 6Teil 2 von 6Teil 3 von 6Teil 4 von 6Teil 5 von 6Teil 6 von 6

Ich könnte jetzt noch tagelang so weitermachen, aber wer sich dafür interessiert, findet selbst die relevanten Informationen. Einige davon habe ich in jahrelanger Arbeit auf meiner privaten HP zusammengetragen (Menü Literaturliste).
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