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#42

AW: "Bildfähige Geräte" an Schulen: wie ist es bei euch?

  Alt 5. Sep 2012, 00:31
Ach Jungens und Mädels. Das geht doch viel viel weiter als bekloppte Gesetze oder Verbote oder Tragbarkeit oder was ein Schiss auch immer. Wenn ich mir angucke, wie teilweise die "jungen Leute" (bin ja selber grad mal 30) zombiemäßig mit ihren Smartphones durch die Pausenhalle starksen, wird mir einfach grünlich um die Nase. Es ist einfach so, dass gerade so Dinge wie Facebook (und die "Freunde" dort) einen immensen Quasi-Druck auf unsere "kleinen" ausübt. Nicht der Betreiber, aber die Coolness und das Dazugehören. Viele Schüler hier gehören kaum zu denen, die das negativ betrifft, aber für einen großen Anteil der Leute ist das ein ganz wesentlicher Lebensinhalt geworden.

Das halte ich für problematisch. Insbesondere weil virtuelle Beliebtheit vom eigenltichen Leben ablenkt, da man um überhaupt wahrgenommen zu werden eine "Awesomeness" an den Tag legen muss, die das eigentliche Leben kaum zu bieten vermag. Wo in den 60ern noch ein Junge bestaunt wurde, der einen besonders hübschen Stein gezeigt hat den er fand, muss man heute doch schon 3 Pornostars gevögelt und eine Diktatur eigenhändig ausgehebelt haben. Was ich meine ist: Wenn die virtuellen Werte und "Peaks" eine reale Relevanz hätten, wäre das ja alles nicht so tragisch. Aber ich merke am eigenen Leibe leider zu oft, dass die bloße und als eigentlich selbstverständlich hingenommene Kompetenz über alltägliche Dinge ganz normal verbal zu kommunizieren zu einem Luxusgut wird.

Seht mich als Schwarzmaler oder Rückständigen oder was ihr wollt - es kann einfach nicht gesund sein, sich dem Druck aussetzen zu müssen ständig erreichbar und ein Held sein zu müssen. Das kann kaum förderlich für die persönliche Entwicklung sein, Hand auf's Herz. Wenn es die Eltern schon nicht schaffen einem Kind die Freuden des einfachen Lebens zu vermitteln, so finde ich es gar nicht so übel, wenn zumindest in der Schule, im öffentlichen Raum, Möglichkeiten bestehen diese Erfahrungen zwangsweise herbeizuführen.

Man darf hier glaube ich nicht so arg von sich oder seinen eigenen Kindern ausgehen. Es ist die breitere Masse, die hier viel mehr leidet. Ich dichte es den meisten hier an, zu den denkenden Menschen zu zählen, die ich aber definitiv in der Minderzahl wähne. (Ihr dürft mich jetzt sogar Misanthrop nennen, bitte.)

Was ich sagen will ist: Wenn man der Mehrzahl der Kids irgendwie noch nahelegen kann, dass miteinader tatsächlich "reden" die eigentlich relevante Form der Kommunikation ist, dann sind auch Mittel wie Verbote das kleinere Übel. Die meisten Eltern sind leider zu etwas herangewachsen, was es nicht für nötig erachtet solche Dinge zu vermitteln. Und das geht weiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiit über "Handy ist nicht alles, mein Kind" hinaus. Das führt hin bis zu zuhören können, Grenzen erklären, Konventionen vermitteln (nicht auferlegen), sich intensiv und oft mit dem Kind zu beschäftigen, und auch dessen Interessen wahrzunehmen ... da gibt es so viel, was in so vielen Haushalten völlig krumm läuft. Das kann Schule selbstredend überhaupt nicht zurecht rücken, aber sie kann zumindest hier und da Anreize schaffen. Auch ungewollte. Es wäre nicht das erste Mal, dass jemand zu "seinem Glück" gezwungen worden wäre. Und wenn Schule es so schaffen kann, Kindern und Jugendlichen zumindest für einen Teil des Tages den Zwang zu nehmen, sich stets mitteilen zu müssen, immer erreichbar und ein Kommunikationsmonster zu sein, dann begrüße ich das. (Fachunterricht bzw. Ausblidungen in einschlägigen Bereichen betrachte ich hier ausdrücklich nicht! Es geht mir um die Schuljahre 1-12/13, bzw. das Leben zwischen den Unterrichten während dieser.)

Natürlich muss der Umgang mit aktuellen Medien alsbald Bestandteil von Unterricht werden! Das alleine aber wird nicht reichen, vor allem nicht mittelfristig, weil wohl noch viel Zeit ins Land gehen wird, bis entsprechend kompetente Lehrer herangewachsen sind. (Eigentlich unmöglich, wenn man die Geschwindigkeit der Fortschritte und des Wandels diesbezüglich betrachtet.) Wenn man mal guckt, wie vehement der Protest z.B. gegen den Zensus in den 70ern war, und mit welcher unreflektierten Bereitschaft - ja geradezu Tatendrang - jetzt junge Leute (und auch Eltern) die privatesten Dinge unkontrollierten Privatleuten überlassen... da ist doch wohl ein Haufen Selbstachtung den Bach runter, oder nicht?

Ich bin wohl einer der letzten, die für Verbot und Zensur stehen. Aber in diesem speziellen Falle, bin ich wirklich der Überzeugung, dass so etwas weit eher zum Wohle der breiteren Masse beitragen kann, als dass es einzelnen schadet, die sich in ihrem Persönlichkeitsrecht gestört fühlen. Und bitte. Es ist doch nun echt kein Beinbruch, einfach mal den halben Tag das beklopppte Handy zu missachten. Was soll das denn? Über das reden wir hier doch eigentlich, oder? Warum muss ich denn als Jugendlicher von 8-16 Uhr von Hinz und Kunz für Nichtigkeiten verfügbar sein? Ich komme nicht dahinter. Muss ich heute "viral" werden, um etwas wert zu sein? (Wenn ja, noch ein guter Grund mehr für Zwangs-Reallife-Kuren.)
"When one person suffers from a delusion, it is called insanity. When a million people suffer from a delusion, it is called religion." (Richard Dawkins)

Geändert von Medium ( 5. Sep 2012 um 00:37 Uhr)
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